Maßband oder Zollstock? Das ist für deutsche Handwerker nicht nur eine Frage der Funktionalität – es ist eine Frage der Einstellung. Wie halten es die Handwerker in Deutschland? Wir haben nachgefragt.
„Ein Maßband für längere Strecken, das ersetze ich aber gerne durch Lasertechnik. Bei kleineren Strecken nutze ich den Zollstock. Man hat einfach etwas in der Hand und kann auch mal anhalten oder auf etwas damit zeigen“, sagt Tanja Schicke von der Zaunbaufirma Ambiente in Buchholz i.d.N.. Zumal helfe es später eventuell auf einem Foto, denn dort könne man gut die Glieder sehen und nochmal überschlagen.
Zollstock deutlich vielfältiger
Elektriker Alexander Benthin aus Düsseldorf greift sofort zum Zollstock, und da gibt es für ihn auch keine Alternative – allenfalls das Lasermessgerät. Aber der Zollstock, so sagt er, lässt sich auch verwenden, um mal ein Kabel anzubinden, um es durch einen Kanal zu ziehen. „Außerdem kann man mit dem Zollstock Winkel messen und es wird ihm auch die höhere Genauigkeit nachgesagt“, betont der Elektriker.
„Ich bevorzuge einen Zollstock, weil ich bei der Arbeit nur eine Hand frei habe. Mit einem Maßband kann ich nichts anfangen, wenn ich Rohre abmessen muss oder Maße auf der Wand anzeichnen muss. Ein Maßband ist für einen Installateur oder einen Elektriker ein No Go“, stellt Heizungs- und Sanitär-Installateur Bernd Schumacher aus Köln klar. Ein Zollstock sei einfach deutlich vielfältiger als ein Maßband. Man könne ihn eben auch dort nutzen, wo man selber mit der Hand nicht hinkommt, weil er starr ist.
Beliebt für „Kunstprojekte“
Der Zollstock, oder Gliedermaßstab, wie er fachgerecht genannt wird, ist in deutschen Heimwerker-Haushalten das Messgerät der Wahl, wenn es darum geht, eben mal ein Bild aufzuhängen oder die Linie für den Hängeschrank in der Küche zu ziehen. Er ist schlichtweg nicht wegzudenken. Gerät er in Kinderhände, ist er schnell schon mal ein Segment kürzer. Auch kreative Köpfe ziehen den Zollstock oft und gern für „Kunstprojekte“ heran. Besonders beliebt ist auch der „Kreistest“, wobei der Zollstock entgegen seiner Gelenke zu einem Kreis gebogen wird. Dabei zeigt sich jedoch schnell, dass die Bruchfestigkeit des Zollstocks durchaus ihre Grenzen hat.
Begonnen hat sein Siegeszug in der heute bekannten Form zur Mitte des 18. Jahrhunderts, was allein eine Kuriosität für sich darstellt. Der Zollstock hat sich als Messgerät durchgesetzt, sein Name im Volksmund ebenso. Kaum jemand aber denkt genauer darüber nach: Zollstock – abgeleitet von einem Längenmaß, das hier in Deutschland schon lange nicht mehr gebräuchlich ist. Längst sind wir hier zum metrischen System übergegangen. Deutschland war 1875 eins von zwölf Gründungsmitgliedern der Meterkonvention, die die Einführung des metrischen Systems sichern und vorantreiben sollte. Überhaupt gibt heute es nur drei Länder, offiziell kein metrisches Maßsystem benutzten und mit Zoll messen: Neben den USA noch Liberia und Myanmar. Aber gerade in Amerika hat sich die Nutzung des Zollstocks überhaupt nicht durchsetzen können. Hier schwört man auf das Bandmaß, egal, ob im professionellen Handwerk oder in der dort weit verbreiteten Heimwerker-Szene.